Kunst im FORUM

Pendelwelle

Für das FORUM Schwanthalerhöhe in München, gestalteten Ingo Maurer und sein Team ein kinetisches Objekt, das im März 2019 der Öffentlichkeit übergeben wurde. 24 hochglanzpolierte Kugeln mit einem Durchmesser von 40 cm sind an einer 17 Meter langen Welle abgehängt. Die Länge der Stahlseile verkürzt sich dabei von 9 Metern auf 3 Meter. Von der Seite gesehen sind die Kugeln in einem Bogen angeordnet. Das gesamte Objekt wird durch einen Impuls seitlich zum Schwingen gebracht und die Kugeln setzen sich in unterschiedlichem Tempo in Bewegung. Besonders in der Längsachse sind faszinierende Bewegungsabläufe sichtbar. Nach dem Anschwingen pendeln die Kugeln langsam aus, bis sie nach ca. 40 Minuten von neuem angestoßen werden.

Ingo Maurer, der als Designer und Gestalter von Lichtobjekten bekannt ist, beschäftigt sich in seiner gestalterischen Arbeit immer wieder mit bewegten Objekten, die teilweise dem Zufall überlassen werden, teilweise – wie bei der Pendelwelle – auf physikalischen Gesetzen beruhen, aber vom Betrachter auch intuitiv wahrgenommen werden können. Die Bewegung der Pendelwelle lädt dazu ein, sich an der Veränderung der Bewegungen zu verlieren, seinen Gedanken freien Lauf zu lassen und in Zeiten ständiger Präsenz und Geschäftigkeit einen Moment inne zu halten.

Über Ingo Maurer

Ingo Maurer, geboren 1932, entwirft seit 1966 ungewöhnliche Lampen und Lichtsysteme, die er als Unternehmer in der eigenen Firma produziert und weltweit vertreibt. Zu den bekanntesten Entwürfen gehören Bulb (1966), das Niedervolt-Halogen-System YaYaHo (1984) und die geflügelte Glühlampe Lucellino (1992). Die Beleuchtung für die U-Bahnhöfe Westfriedhof, Münchner Freiheit und Marienplatz in München, das Atrium des Kaufhauses Lafayette Maison in Paris sind einige seiner vielfältigen Auftragsarbeiten für öffentliche Gebäude und Privathäuser.

Ingo Maurer hat mehrere renommierte Design-Preise erhalten, u.a. wurde ihm 2010 der Designpreis der Bundesrepublik Deutschland und 2011 der italienische Compasso d’Oro für sein Lebenswerk verliehen.

 

 

MICHAEL „m!c“ STROGIES – VITA UND WIRKEN

Michael Strogies (3.v.l.) mit Influencern am Eröffnungsabend 6. Juni 2019.

Geboren am 30.5.1959 in Düsseldorf waren seine Eltern schon bald damit beschäftigt, dem 6-jährigen stapelweise Papier zu besorgen, damit er mit Bunt- und Filzstiften diverse Bildergeschichten zeichnen konnte. Als 16-Jähriger spielte er als Bassist in mehreren Schulbands, was wiederum von seinem Elternhaus nicht so gern gesehen wurde. Nach Abschluss des Abiturs galt es, sich zwischen Zeichnen oder Musik zu entscheiden. Er bewarb sich für das Fach Kommunikationsdesign an der GHS Essen, bei der es sich um nicht weniger als den neuen Sitz der ehemaligen Folkwangschule handelte, die kurz vorher von der Abtei in Essen dorthin umgezogen war.  Hier beschäftigte er sich im ersten Schritt mit Malerei und Aktzeichnen. Er studierte bei Hans Bacher, der regelmäßig für diverse Disney-Filme gearbeitet hatte, die Grundlagen der klassischen Animation. Hier lernte er nicht nur gut, sondern vor allem auch schnell zu zeichnen, was später seine Arbeit prägen sollte. Im Fach Trickfilm legte er seine Abschlussprüfung zum Dipl. Kommunikations-Designer ab.

Neben den Trickfilmprojekten widmete sich Strogies weiter der Malerei. Er malte Portraits und Akte, nahm an verschiedenen Gruppenausstellungen teil, konnte sich jedoch nie wirklich an den musealen Betrieb gewöhnen. Ihn amüsierte, dass in seinen Bildern oft Dinge gesehen wurden, an die er nie gedacht hatte. Als er während einer Ausstellung vor einem seiner Aktbilder gefragt wurde, was er beim Malen des Bildes empfand, antwortete er lapidar: „Ich fand die Frau einfach toll.“

Nun zog es ihn immer öfter wieder zur Musik. „Wenn Du als Musiker einen Song schreibst und damit auf die Bühne gehst, merkst du sofort, was das Publikum davon hält. Die Leute vor dir bringen das ganz unverhohlen zum Ausdruck. Du wirst gefeiert oder von der Bühne gepfiffen.“

Mittlerweile hatte sich die Bearbeitung von Bildern mit PC durchgesetzt. Strogies scannte seine Zeichnungen ein und entwickelte verschiedene Techniken am PC, um die Animationen in einer für Trickfilme notwendigen Geschwindigkeit zu bearbeiten. Hierfür arbeitete er mit verschiedenen Softwareentwicklern zusammen. „Zu der Zeit war das AHA-Video „Take on me“ in aller Munde. Jeder wollte eine Kombination von Real- und Trickfilm haben. Aber niemand machte sich klar, welcher Aufwand dahintersteht.“ Bezahlen konnte diesen Aufwand letztlich nur die Werbeindustrie.

Parallel zu seiner Malerei und Trickfilmarbeit entstand ein sehr umfangreiches Cartoon-Konzept: „Ich baute in meiner Freizeit sehr gerne Teiche. Ich finde es faszinierend, wie sich das Leben in so einem Wasserloch beinahe von selbst entwickelt.“ Als seine Tochter Vanessa ihm ständig Fragen stellte wie „Wieso erkälten sich die Wasserläufer nicht, wenn die ständig mit ihren Füssen über das Wasser laufen?“, lag die Antwort auf der Hand: „Weil sie Gummistiefel tragen“ und die Idee zu einen Cartoon war geboren.

„FACES OF…“ von MICHAEL „m!c“ STROGIES

„Faces of…“ findet seit 2015 an verschiedenen Orten statt, bislang in etwa 40 Städten, in einer Städtischen Galerie ebenso wie in einem Einkaufs-Center. Zum Auftakt stellt der Künstler Michael Strogies dort jeweils bereits vorhandene Porträts aus dieser Projektreihe aus. Sie zeigen Abbildungen von Prominenten ebenso wie von anderen Models.

Interessenten werden dazu animiert, Selfies von sich einzureichen, mit anschließendem Voting in den sozialen Medien, wobei in der Regel die Einsender ihre Freunde und Bekannten dazu auffordern, ihr „Selfie“ zu liken. Michael Strogies setzt während der Projektdauer anschließend wöchentlich die beiden Selfies mit den meisten Likes in Zeichnungen um, d.h. vorgefilmte Motive werden von ihm zeichnerisch bearbeitet und erfahren solchermaßen eine Transformation vom medialen Raum in den Bereich der Malerei.

INTERAKTIVE KUNST

Nach den bisherigen Erfahrungen reichen wöchentlich 50-60 Interessenten ihre Fotos ein. Die anschließende

Multiplikation der Interaktion via Like-Button erfasst 70.000 bis 100.000 Klicks. Gerade solch partizipative Kunstprojekte haben heute eine Zeithöhe, da sie die starre Rollenaufteilung Künstler-Publikum oder Künstler-Modell aufbrechen und es allen Beteiligten ermöglichen, sich selber aktiv und kreativ einzubringen, so wie Christian Faelsnaes einmal das Prinzip der interaktiven Kunst definierte: „Ohne dich gibt es kein Werk“.

Über Facebook, Whats App, Instagram und andere soziale Foren verändern sich soziale Rollenmodelle, Identitätsskripte und politische Denkweisen der Gegenwart. Michael Strogies greift dies auf, und dabei sucht er für seine Projekte eine Ankerbindung in einem Bereich der Öffentlichkeit, in welchem der Unterschied zwischen E-Kultur und U-Kultur schon seit Jahren obsolet geworden ist, und damit im Sinne der Pop Kultur auch der Unterschied zwischen musealisierter Hochkunst und einer massentauglichen Ästhetik des Alltags: „Pop meets Art“.

NEUE KULTURRÄUME

Wo heutzutage in der Diskussion über die Entwicklung des Kunstbetriebs oft festgestellt wird, dieser entwickle sich auseinander zu einer „Kuratoren-Kunst“ einerseits und einer „Kunsthandels- Kunst“ auf den Kunstmessen andererseits. Zunehmend werden aber auch außer-museale Räume und Sendeplätze in den Medien zu Foren einer Eventkultur, in der neuartige Formate von Ausstellungen möglich sind. Darum – Erlebnisräume und Alternativen zu den verkrusteten Strukturen im „Betriebssystem Kunst“ zu schaffen – geht es Michael Strogies. Es geht ihm um eine Kunst, die sich an jeden wendet und dessen Subjekt jeder ist. Am Ende dieser Ausstellung wird dies sicht- und erlebbar werden. Alles ist vorfindbar: Der Unternehmer, der Professor, Studenten, die alleinerziehende Hausfrau – ja auch der Harz 4-Empfängern. So bildet sich ein interessiertes Publikum mit dem Bedürfnis für Kunst, das vom Kunstmarkt und mittlerweile vieler Orts auch von der (Kultur-)Politik aber in keinster Weise bedient wird.

„STARS TO MEET“ von MICHAEL „m!c“ STROGIES

Michael Strogies begann mit Schmink- und Porträtaktionen 2005, als er die Schauspieler der Soap-Serie „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ zeichnete und diese Arbeiten auf Stelen in einer seriellen Anordnung ausstellte wie bei den Erzählsträngen solcher TV-Formate. Sein Projekt „Stars 2 meet“ bringt Stars und Fans zusammen. Dabei stehen allerdings die porträtierten Fans im Mittelpunkt, was man kunstsoziologisch auch als eine Abkehr von der Super(star)ästhetik althergebrachter Rollenklischees begreifen kann.

LIVE PAINTING

Das Live-Painting hat in den Projekten von Michael Strogies als „Spiel mit der Realität und der Malerei“ zwar nach wie vor einen Event-Charakter, aber das Schminken als eine Form der Gesichts- bzw. die Körperbemalung rekurrieren zugleich auf den magischen Urgrund jeglicher Maskerade, auch wenn es hier um Styling und nicht um das magisch oder dämonisch Groteske wie in der Kriegsbemalung archaischer Völker geht.

Hier ist es der Künstler, der die „inszenierte Person“ malerisch interpretiert und sie „zum lebenden Kunstobjekt“ macht. Bei einem solchen „Live Painting“ werden der Körper und die Kleidung erst bemalt und dann fotografiert. Die Aktion findet innerhalb gemalter Bühnenkulissen statt. Wie bei den illusionistischen Techniken des Barock, gehen auch hier die gemalte Figur und der gemalte Hintergrund ineinander über. Im Action Painting eines Jackson Pollock und in den Körperabdruck-Bildern von Yves Klein (Anthropometrien) in den 1950er Jahren und in der klassischen Body Art-Performance nach 1960/70 finden sich dafür kunsthistorische Vorläufer.

INDIVIDUELLE UND KOLLEKTIVE RITUALE

Michael Strogies inszeniert seine Projekte im realen wie im virtuellen Raum. Bei „Faces of…“ schminkt er quasi das eingereichte Selfie durch (Über)zeichnung. Stilistisch ist dabei oft eine bewusste Rückbesinnung auf den Duktus der Modezeichnungen in den 1950er und 1960er Jahren erkennbar. Die handgezeichneten Blätter werden schließlich digitalisiert und ins Internet gestellt, parallel dazu auf Leinwand geplottet und in Acryl- und Ölmalerei umgesetzt. Analoge und digitale Techniken, zeichnerisch-malerisches Handwerk und Computergrafik gehen solchermaßen eine Symbiose ein. Für die Originalität des Werks ist somit der handwerkliche Charakter nicht allein entscheidend – der mixed-mediale Charakter führt gleichermaßen zur „Aura“ des Werks bzw. zu dessen Authentizität.